Gestern haben wir uns zu fünft auf den Weg gemacht um uns mit den Aktivist*innen im Hambacher Forst zu solidarisieren.

Vom Bahnhof Buir kurz vor Düren kann man zu Fuß in ca. 30 Minuten den Eingang des Waldes erreichen, auch mit unseren mitgebrachten Vorräten und Wasserkanistern war das gut zu schaffen. Vor dem Eingang wurde ein kleiner Infostand aufgebaut, wo freundliche Menschen uns geholfen haben, noch letzte Wegverwirrungen zu klären. Der Weg zum Camp, ein recht breiter und mit Kraftfahrzeugen befahrbarer Waldweg ist vor allem durch kreativen Barrikadenbau gezeichnet, sodass auch die ein oder anderen von RWE aufgestellte Spitzmausfallen sowie radlosen Fahrädern einen neuen Sinn bekamen. Geradeaus den Weg lang stößt man auf den „Jesus Point“, von wo aus man in Richtung der verschiedenen Siedlungen abzweigen kann. Nach rechts haben wir uns dann auf den Weg nach „Gallien“ gemacht.

Als erstes ist uns aufgefallen, mit wie viel Liebe und Hingabe die Aktivist*innen ihr Camp gestaltet haben. Überall findet man handbemalte Schilder, kreative Banner und aus Ästen geflochtene Tore symbolisieren den Eingang zu den Siedlungen. In Gallien haben wir uns zuerst zum Tower aufgemacht, einem beeindruckenden dreistöckigen Baumhaus, in dem wir von zwei Aktivist*innen empfangen wurden, die unsere mitgebrachten Vorräte entgegengenommen haben und uns einen kleinen Überblick gegeben haben. Insgesamt gibt es im Wald über 30 Baumhäuser und ca. 70-80 bequeme Schlafplätze auf Bäumen. Die meisten Baumhäuser sind durch Strohdämmung und Ofen winterfest gemacht, in einigen gibt es sogar Solarpanels auf den Dächern, die die Bewohner*innen mit Strom für den aufs Minimalste zurückgeschraubten Tagesbedarf versorgen. Für die Öffentlichkeitsarbeit, aber auch um Kontakt zu Freund*innen und Familie zu halten, gibt es in diesem Tower auch Zugang zum Internet. Auch einen Gasherd gibt es in manchen Küchen.

Mich persönlich hat sehr beeindruckt, dass wir uns sofort unglaublich wohl gefühlt haben. Das liegt sicher nicht nur an der gemütlichen Einrichtung der Baumhäuser, sondern vor allem an der überwältigen Freundlichkeit aller und die Offenheit und Akzeptanz, die im ganzen Camp zu spüren war. So haben sich mehrere Menschen auch sofort angeboten, uns ein wenig herumzuführen und alles zu erklären. Nachdem wir unbeschadet das Leitersystem auch wieder nach unten überwunden haben, sind wir nach „Oaktown“ geleitet worden, der derzeit ältesten Siedlung. Auch hier gibt es ein beeindruckendes mehrstöckiges Baumhaus, von dessen Balkon auch weitere Baumhäuser über schwebende Strickleitern und einfache gespannte Seile zugänglich sind. Nun wird auch klar, warum wir so viele Menschen mit Kletterausrüstung gesehen haben, 20 Meter über dem Boden auf einem dünnen Seil fühlt man sich mit einer Sicherung doch wohler. Hier haben wir auch ein schwebendes Baumhaus entdeckt (wer also mal auf einer Schaukel übernachten will…) sowie eine Hängematte, die in luftiger Höhe vor sich hin baumelt.

Die Kreativität, die hinter den Camps steht, ist unglaublich. Nicht nur die Baumhäuser sind unfassbar beeindruckend, sondern auch die Lösungen für ganz alltägliche Probleme: von der Waldtoilette bis zum Wald-Kraftraum gibt es hier alles.

Danach haben wir uns die „Wiese“ angeschaut, die vor dem Hambi liegt und tatsächlich nicht RWE gehört, sodass die Aktivist*innen dort geduldet werden. Da wurden wir sofort auch freundlich empfangen und herumgeführt. Leider waren die Spuren der Polizei-Razzia am Dienstag noch sehr deutlich sichtbar: einige Menschen waren gerade dabei ein Haus abzureißen, da nach der Razzia die Stabilität des Hauses leider nicht mehr zu gewährleisten war. Außerdem konnten wir einen zugeschütteten Keller sehen und einen einbetonierten Erdkühlschrank (in der Presse als ausgeklügeltes Tunnelsystem beschrieben). Die Bücherei des Camps ist leider auch zum Opfer gefallen.

Aktivist#*innen haben uns auch davon berichtet, wie sich die Polizei ihnen gegenüber leider verhalten hat. Bei der Razzia wurden Autos aufgebrochen und Personalausweise entwendet und Aktivist*innen wurden mit vorgehaltener Schusswaffe kontrolliert. Die Lautsprecherwagen, über die Kettensägengeräusche gespielt werden, haben wir auch zu hören gefahren. Dies ist psychologische Kriegsführung und vor allem vollkommen unnötig. Eine Aktivistin berichte uns von Todesangst, der sie in einem Baumhaus ausgesetzt wurde, als ein Polizei-Helikopter nur 3 Meter über einem Baum schwebte, der einer solchen Krafteinwirkung nur schwer standhalten kann. Sie befand sich auf dem Balkon, von oben also gut sichtbar…

Nichtsdestotrotz verzagen die Aktivist*innen nicht und sind fleißig mit dem Wiederaufbau beschäftigt.
Zum Abschluss haben sind wir am Jesus Point nochmal geradeaus gelaufen und haben uns die Grube angeschaut. Dort bot sich uns ein erschreckendes, aber vor allem wirklich trauriges Bild. Wer noch nie eine Grube besucht hat, dem können wir das hiermit sehr empfehlen, um mal mit eigenen Augen zu sehen, welchen direkt sichtbaren Einfluss die Kohleförderung auf die wunderschöne Natur hat. Hier wird gerade der älteste Wald Deutschlands geopfert.

Der Erhalt des wunderschönen Hambis ist natürlich das oberste Ziel der Aktivist*innen, aber in der Zwischenzeit haben sie sich auch einen außergewöhnlichen Lebensraum geschaffen, der durchaus als Vorbild für das ein oder andere Wohnprojekt dienen könnte. Es ist eine Gesellschaft, die auf gegenseitiger Wertschätzung und Respekt für sich und die Umwelt basiert. Jede*r kann sich einbringen, wie er/sie kann oder mag und so haben sie zusammen eine spannende kleine Welt erschaffen.

Wer sich einbringen möchte: im Camp wird immer etwas benötigt, weil sich die Aktivist*innen auf eine längere Blockade vorbereiten müssen. Immer gebraucht werden Konserven, andere haltbare Lebensmittel, wasserdichte Planen, und ganz besonders Wasser. Aktuell gibt es auch einen Bedarf an Klettermaterial. Ansonsten freuen sich alle über (kürzere und längere) Besuche, und wir können aus eigener Erfahrung sagen, es lohnt sich!

Aktuelle Infos und Kontaktinfos findet man auf dem Hambi-Blog: https://hambacherforst.org/blog/
Bis dahin verbleiben wir mit #hambibleibt #sonstkommich

Eure Hannah

Hilfreiche Wegweiser

Schilder überall…

Eingang nach Gallien

Hier war mal ein Wald

Baumhäuser in Oaktown

Der Wald-Kraftraum

Provisorische kleine Bücherei