Heute ist Weltmädchentag! Unsere Beisitzerin Isa hat zum Thema „junge Mädchen“ einen Artikel verfasst.

Das junge Mädchen

Das junge Mädchen ist ein Status, eine Situation und prinzipiell ein Phänomen, das gar nicht so alt ist, wie wir denken. Heutzutage bin ich eines von vielen jungen Mädchen: nicht verheiratet, in der Schule und einfach ein junger Mensch, der das Leben genießt. Das sind Sachen, die für meine Freundinnen und mich total offensichtlich und normal sind: wie sollte es denn auch anders sein? Wir sind noch Jugendliche, das wissen wir und das wird auch von allen akzeptiert und anerkannt. Doch genau das ist das besondere, das wertvolle, das, was wir jetzt haben und vor einigen Jahrhunderten nicht hatten.

Bei den alten Griechen wurden Mädchen schon vor der Geburt verlobt und meist noch vor der ersten Periode verheiratet. Burschen im selben Alter waren noch junge Leute, die lernten (was bei Mädchen für unnötig und sogar gefährlich gehalten wurde), Spaß hatten und viel Zeit mit Freunden verbrachten. Burschen hatten immer diese wertvolle Übergangsphase zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenleben, also Arbeits- und Familienwelt. Mädchen mussten bis weit ins Mittelalter hinein einen sehr brutalen Schock erleben, der Übergang vom kleinen Mädchen zur Frau, am besten so bald wie möglich Mutter, und danach hängt es von der Kultur ab wie es weitergeht.

Darum geht es jetzt aber nicht, wir wollen uns mit dem jungen Mädchen beschäftigen. Da bin ich das erste Beispiel, das mir einfällt. Ich will jetzt einfach mal beschreiben, was ich gerade mache: ich sitze in meinem Zimmer, auf meinem Bett und schreibe über meine Meinung, ganz frei, so wie ich denke. Jetzt stell ich mir vor, was ich gerade tun würde, wenn ich vor einem Jahrtausend gelebt hätte. Zum Beispiel in einem Schloss im Mittelalter. Mein eigenes Zimmer hätte ich schon mal nicht, dort gab es Mädchenzimmer* mit den ganzen Mädchen aus dem Schloss. Diese hatten oft keine Tür, waren leicht zu finden und zugänglich. In diesen Mädchenzimmern waren Vergewaltigung und prinzipiell Gewalt alltäglich und die Mädchen erlitten alle die Schrecken der damaligen patriarchalischen Gesellschaft. Ich würde garantiert nicht schreiben, das konnten die wenigsten Mädchen, selbst in den höheren Schichten, denn Frauen (also auch Mädchen) wurden immer, wie Kinder und Hunde, als ein Lebewesen ohne Vernunft und Logik angesehen. Meist wurde das Ausbilden von Frauen und Mädchen einfach für unnötig gehalten, die katholische Kirche aber erklärte es im mittleren Mittelalter sogar für gefährlich, Frauen seien nämlich Geschöpfe Satans, die es zu kontrollieren gilt**. Und könnte ich schreiben, wäre ich ziemlich sicher eine Nonne, die auf Bestellung irgendwelche Gedichte schreibt. Frauen, die eine eigene Meinung haben, gab es schon immer. Frauen, die diese Meinung gesagt haben, auch. Aber Frauen, dessen Meinung man ernst nahm und denen man zuhörte, sind ein neues und nicht verbreitetes Phänomen.

Mädchen waren bis in die Renaissance herein entweder Kinder, oder Frauen. Dann wurde irgendwann “entdeckt“ (oder eher endlich akzeptiert), dass Mädchen auch eine Übergangsphase haben, dass auch sie Gefühle haben. Ab dann haben zum Beispiel die verlobten Mädchen erwartet, dass ihr Verlobter ihr Herz etwas schneller schlagen ließ (was die Zwangshochzeiten natürlich noch lange nicht abschaffte). Sie waren junge Mädchen. Sie hatten Hobbys, meist nähen, singen oder manchmal sogar lesen. Sie hatten Freundinnen, mit denen sie Spaß hatten, und sie interessierten sich, fürs erste mal in der Geschichte nicht allzu versteckt, fürs andere Geschlecht. Ab dann gewann das junge Mädchen immer mehr Freiheiten, besonders viele im letzten Jahrhundert. Und es geht immer weiter, z. B. in dem am 21.02.2012 (mein Geburtstag!) der französische Staat bestätigte, dass die Wörter “Mademoiselle“ und “Patronyme“ nicht nötig, sogar diskriminierend sind, und ab jetzt durch “Madame“ und “Nom de famille/Nom d’usage“ ersetzt werden.

* In solchen Zimmern lebten die Mädchen bis sie verheiratet wurden, ab dann wohnten sie bei ihrem Mann.

** Das war einer der Gründe, warum es so lange in Ordnung war, das Ehemänner, Brüder und Väter die komplette Kontrolle über ihre Frauen, Schwestern und Töchter hatten: sie mussten das Böse, das Negative, das Weibliche, unter Kontrolle behalten, u. a. um die Frauen vor sich selbst zu schützen.

„Das junge Mädchen“, Isa Zehetner, 21. November 2014